Wer Vertrauen hat, erlebt jeden Tag ein Wunder.
– Epikur von Samos
Motor an. Radio an. Los geht’s. So düse ich am liebsten durch die Straßen Deutschlands: mit lautstarker Musik. Bei den guten, mitreißenden Liedern wippe ich auf meinem Sitz mit, trommel auf mein Lenkrad und singe lautstark mit. Sicherlich zum Grauen des ein oder anderen Juroren einer Musik-Castingshow. Aber da will ich auch gar nicht hin. Hauptsache die Musik tut mir gut.
Wo ich jedoch vor ein paar Jahren unbedingt wieder hin wollte, war genau an diesen Punkt all das oben Beschriebene wieder spüren zu dürfen. Den Rhythmus, die Lust an der Musik und die Freude die Liedtexte mitsingen zu können. Das war alles weg. Auf einmal. Ich hasste nicht nur Sonntage, habe nicht nur einsehen müssen, dass die Freude auf einmal weg war, sondern dass mir auch die Musik fremd geworden ist. Ich saß im Auto, fuhr von A nach B und was auch immer da im Radio lief, berührte mich einfach nicht mehr. Selbst nicht die mitreißendsten Lieder, die mich immer zum Mitwippen brachten. Kein Lenkradtrommeln, keine Refrains die auf einmal in meine Kopf waren. Nichts. Wieder etwas, das ich scheinbar von heute auf morgen verloren hatte. Ich quälte mich durch einige weitere Lieder in der Hoffnung, dass das nächste Lied eins ist, das mich packt. Vergebens. Daher hielt ich es wie Peter Lustig damals am Ende der Sendung Löwenzahn: abschalten.
Nicht, dass ihr jetzt denkt, ich wäre ein besonders musischer Mensch. Ich war nie im Chor (doch okay, 5. Klasse, aber das zählt nicht. Da war ich nur weil meine beste Freundin da auch war, denn ich kann nicht singen!), spiele kein Instrument und bin daher nicht besonders musikalisch. Aber ich liebe pfiffige Musik. Ich liebe es, wenn ich beim Hören feststelle, dass ich die Liedtexte mitsingen kann (die ich nie auswendig lerne, die sind entweder da, weil man einen Song schon zigmal gehört hat oder eben nicht). Und dann kann mich nichts mehr aufhalten. Lautstärke aufdrehen, mittanzen und mitsingen oder –grölen. Ich bin dann doch eher der Tänzer als der Musiker, aber der braucht eben auch Musik als Grundlage. Sprich: ich bin der Otto Normalmusikhörer. So würde ich das zumindest einschätzen. Daher bin ich vermutlich wie Du. Was Musik angeht. Ich mag viele unterschiedliche Musikrichtungen und wippe bei Motown genauso mit wie bei Rihanna, bei Purple Schulz wie auch bei Abba. Hauptsache es berührt mich, wie eben auch „Roar” von Katy Perry.
Bis es auf einmal weg war. Ich saß vor dem Radio im Auto und hätte heulen können (hab ich auch). Denn mal wieder musste ich feststellen, dass mir der Mensch so fremd geworden ist. Dieser Mensch war ich. Zumindest steckte ich darin fest. In einer scheinbaren Hülle, die vom Emotionsnetz abgeschaltet wurde. Der Stecker war raus. Ich bekam keinen Saft mehr. Man kann sich kaum vorstellen wie unsagbar traurig das macht, wenn auf einmal ein alt bekanntes Gefühl, eine Freude, die man seit der Kindheit in sich trägt, weg ist. Ausgeknipst. Noch ein Schalter, der auf AUS gestellt wurde. Wer bitte spielt da an meinem emotionalen Stromnetz? Sofort aufhören. SOFORT. Ich konnte jedoch keinen Schuldigen ausmachen. Wie auch. Wenn man vom Stromnetz abgekoppelt wird, fehlen einem nicht nur sämtliche Emotionen, sondern vor allem auch Kraft. Die Kraft sich dagegen zu wehren oder die Kraft es rückgängig zu machen. Und sind wir doch mal ehrlich, an diesem Punkt gibt es auch nichts mehr rückgängig zu machen. Und schon gar nicht auf die Schnelle. Wie sehr habe ich mir gewünscht irgendwo den Schalter wieder anmachen zu können. Nur wo soll der bitte sein? Wie kriegt man sich selbst ganz schnell wieder hin? Tja, dieses Rezept muss erst noch kreiert werden. Fakt ist: es geht nicht. Es gibt kein emotionales Pflaster. Und auch keine Spritze, die alles wieder gut macht. Nein, an diesem Punkt gibt es nur noch eines: den Schrei nach Hilfe. Wobei mir auch dazu die Stimme fehlte. Denn ich hatte ja keine Ahnung was da gerade mit mir geschieht. Daher schien mir die beste Lösung all das einfach zu ignorieren. Das Radio jedes Mal wieder auszumachen, wenn noch immer nicht das richtige Lied gespielt wurde. Doch es lag nicht am DJ im Studio, es lag an mir. Doch das konnte ich am Anfang gar nicht sehen. Bis zur Diagnose: Burnout.
P.S.: Mittlerweile tut mir Musik wieder gut. Richtig gut. Ich wippe auch wieder auf meinem Autositz. Denn das Netzwerk läuft wieder. Und ich bin diejenige, die bildlich gesprochen strampelnd im Keller auf dem Fahrrad sitzt und Strom erzeugt. Denn ich funktioniere nicht mehr, ich kümmere mich um mich und gehe achtsam mit mir um. Anders als damals.
ist das doof, wenn ich schon wieder schreibe, dass mir das sehr bekannt vorkommt?
mir ist das aufgefallen, als ich auf einmal wieder im auto mitgesungen habe. ich war so überrascht von mir selbst, dass mir richtig komisch wurde. erst da viel mir auf, wie lange ich schon NICHT mehr gesungen hatte. oder gewippt. oder getrommelt. auch ich bin so gar kein musischer mensch, aber musik beschwingt mich. ich kann ohne probleme im wohnzimmer oder der küche tanzen, wenn was läuft, wo ich einfach „mit“ muss.
die frage, warum ich so lange eigentlich nicht gesungen hatte und warum ich das jetzt auf einmal wieder mache, konnte ich nicht beantworten. und irgendwie will ich das auch nicht, glaub ich. was für ein knoten auch immer da geplatzt ist – im moment ist er weg.
und ich bin wieder froh, dass mich im auto keiner hört! 🙂
herzliche grüße
die frau s.
Liebe Stefi,
das ist alles andere als blöd, das ist ehrlich gesagt sehr mutig. Und ich freue mich sehr, dass Du den Mut hast mir das zu schreiben. Denn es hilft auch mir, denn so weiß ich, dass ich auch nicht alleine war. Und ja, man ist sehr überrascht, wenn es auf einmal wieder da ist. Und dann fragt man sich was jetzt passiert ist. Aber es war eben kein Schalter, der umgelegt wurde sondern ein Prozess bis die Freude wieder spürbar ist. Ich glaube, wenn Du nicht beantworten kannst, warum das eine zeitlang so war, dass die Musik spürbar weg war, dann ist das eben so. Das darf man auch so annehmen und muss nicht krampfhaft versuchen eine Antwort zu finden. Denn das Wichtigste hast Du doch: Du kannst wieder mitwippen! Und ich würde zu gerne mal mit Dir im Auto fahren. Ich glaube wir hätten richtig viel Spaß! Und noch besser: wir schätzen diesen Rhtythmus, der fröhlich durchs Herz pulsiert. Denn wir wissen, dass es auch ne andere Seite gibt!
Rock on girl!
Alles Liebe
sue
Liebe Sue,
ich kenne dich noch nicht lange und habe dich als tiefgründige, locker-lustige, herzliche Frau kennengelernt, die mit beiden Beinen im Leben steht und weiß, was sie will. Und die auch gern mitsingt, egal wie schief es sein mag (stimmt aber nicht, Sue KANN singen!). Ich kann mir schlecht vorstellen, dass es mal eine Zeit gab, in der du anders warst: unzufrieden, fremdgesteuert und unglücklich.
Du bist das beste Beispiel dafür, dass es sich lohnt, ein Burnout zu erkennen und mit Hilfe anzugehen! Sicher sind deine Posts zu dem Thema sehr hilfreich für diejenigen, die bereits einen Burnout erlebt haben oder darin stecken und die Anzeichen nicht richtig deuten. Weiter so! Ich freue mich, dass du aus dem tiefen Tal herausgekommen bist. Aber wie du oft sagst: daran arbeiten, dass es nicht wieder passiert, muss an immer!
Ich wünsche dir alles Beste, dass es gelingt der Mensch zu bleiben, der du bist und sein möchtest: Dein HappyIch!
Alles Liebe, deine Stephie
Liebe Stephie,
ich danke Dir für Deine Worte, die mich unglaublich berührt haben. Denn Du bist nach dem Burnout in mein Leben getreten und es tut unglaublich gut zu hören, dass all das, was ich wieder in mir spüren darf, auch nach außen strahlt. Das ist wunderbar dieses Feedback zu haben.
Ich danke Dir und ich bleibe dran! Ich möchte jedem zeigen, dass es nach dunkel auch wieder hell kommt. Wenn man sich darum bemüht. Und dass sich das Leben lohnt. Denn egal wie dunkel es sich anfühlen mag, es gibt ganz viele bunte Farben, die es zu entdecken gilt.
Dankeschön für Deine liebevollen Worte und Wünsche! Ich drücke Dich ganz fest!
Alles Liebe
sue
Du? MEINE Dancing Queen von der Blogst? Mein Robot-Dancer? DU wolltest nicht mehr wippen? Egal was Du getan hast, um (wieder) die zu werden, die ich heute kenne: jeder Betroffene sollte Deinen Blog zur Pflichtlektüre haben, denn eins ist sicher: Du hast es geschafft da wieder rauszukommen. Und das ist wirklich grandios.
Ja Svenja, ICH! Und schön, dass Du Zeuge bist, dass ich mittlerweile wieder tanzen kann. Und wie! Und mir Musik Spaß macht! Und wir lustige Videos zu Blurred Lines aufnehmen 🙂 HAHA….und das mit dem Roboter hatte ich schon wieder verdrängt 🙂
Danke für Deine Worte! Ja, Burnout ist nicht das Ende vom Ende. Es ist das Ende vor dem Neuanfang!
Alles Liebe
sue
Liebe Sue,
Schön, dass Du es geschafft hast. Und dass Du weiter an Dir arbeitest und achtsam bleibst. Und es ist toll, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst. Du hilfst denjenigen, die nicht wissen, was mit ihnen los ist und auch allen anderen, einen Burn-Out zu verstehen. Vielen Dank dafür!
Liebe Grüße von
Sandra
Ich kenne das zu gut…. Ich singe gerne und viel, bin in diversen Chören, nehme Gesangsunterricht – Musik und das Singen ist ein sehr großer Teil in meinem Leben.
Von einem Tag auf den anderen ging gar nichts mehr. Einmal hatte ich keine Kraft mehr, für keine Termine, für nichs. Und dann konnte ich keine Musik mehr hören, nicht morgens im Bad im Radio, nicht im Auto, nicht abends Zuhause. Nichts ging mehr…
Ich habe übrigens auch Filme nicht mehr verstanden, ich habe im Fernsehen einen Film angeschaut. Und wenn er zu Ende war, musste mir mein Mann erklären, wie er eigentlich ausging. Und das waren keine hochkomplizierten französischen Filme :-))
Interessant, wie das Gehirn zurückfährt, sich nur noch um das Überleben kümmert und keine Kapazität mehr hat für andere Dinge, die das Leben eigentlich lebenswert machen…. So hat mir mein Arzt das damals erklärt…
Heute geht es mir übrigens wieder wunderbar, aber es hat gedauert. Wünsche Dir weiterhin alles Gute!