Der direkte Angriff

Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.

– Weisheit aus China

Ihr kennt das sicher: mit einem einzigen Gespräch wird man so richtig durchgeschüttelt. Ich durfte das eben in Form eines Anrufs erleben. Und anstatt in Ruhe darüber nachzudenken habe ich beschlossen wild drauflos zu schreiben.
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Der Anruf kam von meinem neuen Nachbarn, der wohl jemand suchte um seine schlechte Laune abzulassen. Ich war anscheinend die Person der Wahl (vielleicht war ich auch nur die zweite oder dritte Wahl, aber ich war zumindest die Person, die er an der Strippe hatte). Es hatte sich wohl so einiges bei ihm angestaut und wie es so oft der Fall ist, hat der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht. Der letzte Tropfen scheint sein Vater gewesen zu sein, der ihn bestärkt hat, dass das so alles nicht richtig ist. Was genau nicht richtig ist? Um in seinen Worten und in seiner Wahrheit zu bleiben ist es so, dass er drei Jahre keinen Sommer mehr draußen sitzen konnte wegen Baulärm. In meiner Wahrheit waren es 2 Sommer (wir haben letztes Jahr im Juli begonnen), jedoch war am Wochenende nie Baulärm und wir hatten vor Beginn der Arbeiten jeden Nachbarn mit einem kleinen Geschenk besucht und einer Kontaktkarte mit unseren Daten wo wir zu erreichen sind, falls mal etwas nicht passt. Natürlich hatten wir uns im Vorfeld für die bevorstehenden Unannehmlichkeiten entschuldigt. In meiner Wahrheit gibt es nun mal keine Baustelle ohne Lärm. Und hätten wir dort nicht gebaut oder umgebaut, hätte es ein anderer Käufer getan. Ich denke mit Baulärm muss man immer rechnen, wenn ein altes Haus in der Nachbarschaft verkauft wird. 
Dann störte ihn die Dixietoilette wohl schon immer, die in seinen Worten höllisch stinkt und dadurch eine enorme Geruchsbelästigung sei. Dazu kann ich auch nur sagen, dass diese regelmäßig geleert wurde und es natürlich auf einer Baustelle ohne eine solche nicht geht (die Bauarbeiter möchten ja auch irgendwo zur Toilette). Und bis heute (kurz vor dem Einzug und der Abbau dieser) hatte sich der Nachbar diesbezüglich noch nie beschwert, denn dann hätte sich sicher eine Lösung bzw. ein anderer Platz finden lassen.
Ich kann die Liste noch fortführen, aber ich denke ihr habt schon ein Bild davon wie das Telefonat ablief. Angeblich fing schon damals alles damit an, dass der Nachbar, der mit seinen Eltern in einem Haus wohnt, sagte, dass er die Hauspläne toll findet, jedoch sein Vater ganz schrecklich. Er habe seinen Vater aber davon überzeugt, dass das für die heutige Zeit schon gut so ist. 
Ich weiß für mich, dass all die Anschuldigungen haltlos sind. Klar, ist es laut, aber das haben Baustellen nun einmal so an sich. In der Straße wird noch ein weiteres altes Haus verkauft und sollte der neue Besitzer hier anbauen oder abreißen und neu bauen, dann wird es erneut laut werden. Das geht jedem in jedem Neubaugebiet ebenso und ist der Kreislauf des Lebens. Darüber kann man sich natürlich ärgern, man kann es aber auch lassen, da man mit dem Ärger doch nichts bewirkt. Leise bauen geht nun mal nicht. 
Und trotzdem fühle ich mich angegriffen, denn ich fühle mich für etwas schuldig gemacht, das ich nicht beeinflussen kann. Ich empfinde aber genau aus diesem Grund keine Schuld und ich war wohl nur die Projektionsfläche für andere Themen, die bei der Person gerade anstehen. Dennoch finde ich es etwas schwierig damit für mich umzugehen, denn diese Leute bleiben vermutlich noch einige Jahre meine Nachbarn. So möchte man eine neue Nachbarschaft ja nur ungern beginnen. Womöglich habe ich jedoch keine Chance dies zu ändern, da die betreffenden Personen Emotionen mit dem Nachbarhaus haben und damit mit den Eigentümern. Das hat natürlich ganz und gar nichts mit mir und meiner Person zu tun.
Warum schreibe ich das nun also? Weil ich mir sicher bin, dass es in Eurem Leben auch solche Situationen gibt wo man mal kurz völlig aus der Bahn geworfen wird und man tief in sich weiß, dass es zu Unrecht war. Viele Blogger kennen das, wenn man in Kommentaren zu einem Artikel angegriffen wird. Oder auch im privaten Umfeld oder im geschäftlichen Miteinander mit Kollegen. Jeder von uns steckt in einer anderen Phase des Lebens und lebt aufgrund der eigenen Entwicklung in einer eigenen Wahrheit. Aufgrund eigener Grundsätze lebt man mit gewissen Überzeugungen. Vielleicht hatte mein Nachbar schon immer schlechte Nachbarn oder fühlte sich von denen falsch behandelt. Und vielleicht geht er mit dem Grundgedanken “ich habe immer Scheiß-Nachbarn” durchs Leben und findet jetzt genügend Beweise, warum es auch so weitergeht (denn die neuen Nachbarn nerven ihn mit Baulärm und wollen ihn damit bewusst verärgern). Ob es so ist oder nicht, weiß ich natürlich nicht. Aber es könnte eine Möglichkeit sein.
Fakt ist, dass es nichts mit mir persönlich zu tun. Es ist nicht meine Baustelle. Und wenn Euch etwas ähnliches widerfährt, dann ist es bei Euch vermutlich auch so. Man wurde zur Projektionsfläche einer Person, die gerade selbst ein Thema zu bearbeiten hat. Aber dieses Thema ist weder meins noch Eures. Daher entscheide ich mich jetzt ganz bewusst durch diesen ungerechtfertigten Angriff durchzuatmen und wieder zurück in meine Bahn zu finden. Es ist mal wieder eine Möglichkeit und für mich eine Übung mich abzugrenzen und mich nicht in den Themen anderer zu verlieren.
Und auch in Zukunft werde ich diesen Nachbarn grüßen, wenn ich ihn sehe. Denn von meiner Seite aus, gibt es keinen Grund irgendwie anders zu reagieren. Wie er sich entscheidet, wird sich zeigen. Ich werde auch noch einmal versuchen den Kontakt zu ihm aufzunehmen und ihn zu fragen was wir tun können um in beidseitigem Interesse die Wogen zu glätten. Und dann hat er wieder die Wahl zu entscheiden was er tun möchte und was nicht.

8 thoughts on “Der direkte Angriff

  1. Ich glaube nicht das es dem Nachbarn darum geht mit dir eine Lösung zu finden. Pfui, bloss keine Lösung für sein Problem- worüber soll er sich denn dann aufregen.
    Wenn ich gut drauf bin sage ich in solchen Situationen: „Wer hat sie denn geärgert? Haben Sie heute einen schlechten Tag?“ Dann geht mein Gegenüber oftmals ab wie Schmidts Katze, aber ich habe die Projektion zurück gegeben. Bin sie wieder los geworden.
    Unsere direkte Nachbarin redete noch nie mit mir. Sie grüßt mich nicht, 1x ausversehen in 8 Jahren und ab und an kracht es ganz gehörig zwieschen uns, wenn ich ihr verdeutliche, dass sie ihre Hecke zurück schneiden muss. Mit meinen Kindern, Eltern, Schwiegereltern. Mit allen spricht sie. Nur mit meinem Mann und mir nicht. Und weißte was, mich belustigt dieser Zustand schon viele Jahre.
    Wir sind heute, Gott sei Dank, nicht mehr so abhängig von unserer Nachbarschaft, wie das früher vielleicht einmal war.
    Auf dein Haus bin ich sehr gespannt und hoffe, es auch mal „besichtigen“ zu dürfen.
    In diesem Sinne

    Nina

    • Liebe Nina,

      als hätte ich es geahnt, dass es noch mehr interessante Nachbarn in Deutschland gibt 🙂 Finde das aber auch schade, dass Du und Dein Mann ausgeklammert werden und alle anderen nicht. Einfach schade so etwas aber man kann halt nicht in andere Leute reinschauen.
      Das stimmt, gute Nachbarschaft ist zwar was Schönes, aber heute doch etwas anderes wie früher!

      Danke für Deine Zeilen.

      Alles Liebe
      sue

  2. Hui, da musstest du aber mal ordentlich Dampf ablassen – und ich kann das so gut nachvollziehen!
    So eine Situation würde mich auch völlig aus der Bahn werfen – v.a. wenn ich mit solch einer Wucht an negativen Gefühlen konfrontiert werden würde, für die ich gar nichts kann. Von daher kann ich dir gar keinen Tipp geben, wie du das weniger an dich ranlassen kannst. 😉
    Ich hoffe einfach, dass dir das Schreiben ein bisschen Erleichterung geschaffen hat.

    Alles Liebe
    Julia

    • Hallo meine liebe Julia,

      ja, das Schreiben hat gut getan. Und das ging vor allem ratzfatz. Ich wusste, dass es vielen oft anders geht und dass davon niemand verschont bleibt! Und wir alle aus diesen Situationen auch wieder rauskommen. Durchatmen hilft auf jeden Fall und auch das Abgrenzen, denn seine versteckten Probleme sind nicht meine!

      Alles Liebe
      sue

  3. Ach, meine Liebe, das tut mir so leid!
    Nun hast du nicht nur Stress beim Bau und Umzug, sondern auch noch mit den Nachbarn. Warte mal ab und versuche, mit der Stimme von Christian Tramitz die Komik darin zu sehen: „Schau Papa, no der hob ich’s aber gzeigt!“ Der hat sich Luft gemacht über den verflossenen Auftrag und vielleicht geht’s bald wieder. Du bist nicht Schuld an seiner Misere – er hätte den Auftrag nie als sicher ansehen dürfen, so lange er ihn nicht hat.
    Nimm‘ dir am hellichten Tag doch einfach mal ein Gläschen Sekt, Füße auf den Schreibtisch und lächle den doofen Nachbarn einfach weg. Wirkt bestimmt! Alles Liebe, deine Stephie

    • Liebe Stephie,

      danke für Deine Worte. Haha…der Eberhofer Franz macht’s gleich besser! Super! An den werde ich wohl öfters denken! 🙂

      Und das mit dem Gläschen Sekt sollte ich wirklich beherzigen! Wobei das im Büro bissle komisch wäre! Aber das kann ich ja abends zwischen meinen Müllsäcken genießen! Das Entrümpeln und Packen ist schon in vollem Gang (oder immer noch).

      Alles Liebe
      sue

  4. Ja, solche Nachbarn gibt es überall, und manchmal sind es sogar „Freunde“, aber genau wie du sagst, ist es ja nicht DEIN Problem. Ich finde es toll, wie Du es direkt treffend analysiert hast und dass Du ihm auch in Zukunft freundlich gegenüber treten möchtest. Sicherlich kann er das gar nicht wechseln, aber schön, dass Du da für Dich ganz klar bist. Mach weiter so! Vielleicht ist er sowieso der Querkopp der Strasse 😉
    Einen dicken Drücker von
    Sandra

    • Liebe Sandra,

      danke für Deine zustimmenden Worte! Natürlich ärgert mich die Situation an sich ein wenig, da es einfach haltlos ist, aber es ist ja viel wichtiger wie ich, und am Ende wir alle, mit solchen Situationen umgehen um hier bei uns zu bleiben und uns abzugrenzen. Denn jeder von uns wird mit ähnlichen Themen konfrontiert!

      Alles Liebe
      sue

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